Der nächste bundesweite Vorlesetag ist am 20. November 2020. Aber mit dem Vorlesetag ist es so wie mit dem Muttertag – einmal im Jahr ist unangemessen wenig. Die positiven Effekte des Vorlesens werden seit 2007 in jährlichen Studien von der Stiftung Lesen analysiert. Das Medium Internet hat Vorlesen auch für Erwachsene wieder stärker in den Fokus gerückt. Viele Angebote richten sich an Eltern, damit das Vorlesen auch bei beschränkter Zeit oder zum Beispiel auf langen Autofahrten nicht zu kurz kommt.
Entwicklungs- und Bildungschancen verbessern
Bücher sind ein Zugang zur Welt. Wer seinen Kindern vorliest oder per Hörbuch vorlesen lässt, erweitert deren Horizont in einem Alter, in dem sie selbst noch nicht lesen können. Kognitive Fähigkeiten werden geschult, indem der Zuhörer das gesprochene Wort aufnimmt und in eigene Gedanken umsetzt. Mit den richtigen Geschichten werden außerdem die soziale und emotionale Entwicklung gefördert. Kinder freuen sich mit ihren Bücher-Helden, teilen deren Sorgen und begeben sich mit ihnen in spannende Abenteuer. Bücher sind zur Vermittlung von Wissen da, aber auch, um aktuelle Themen der Familie aufzugreifen und eine Diskussion anzustoßen. Der Besuch beim Zahnarzt, die Einschulung, einschneidende Erlebnisse wie die bevorstehende Geburt eines Geschwisterkindes oder gar die Trennung der Eltern können so vorbereitet werden. Statistisch belegt ist, dass die tägliche Vorlesestunde das Interesse am Lesen und Schreiben steigert und damit später der Zugang zu schulischen Inhalten deutlich erleichtert wird. Vorlesen transportiert Schriftsprache und deren Satzmuster, unterscheidet sich also erheblich vom gesprochenen Wort. Aus diesem Grund sind auch Hörbücher sehr zu empfehlen – hier gelangen Sie zu den beliebtesten Hörbuch-Serien auf audible.de oder finden spannende Podcasts der öffentlich-rechtlichen Radiosender.
Bilderbücher nacherzählen
Das Vorlesealter wird üblicherweise mit zwei bis acht Jahren angegeben. Es spricht aber nichts dagegen, Kinder schon früher mit den robusten, abwaschbaren Bilderbüchern an dieses wichtige Medium heranzuführen. Es ist dann zwar kein echtes Vorlesen, aber unsere Fantasie als Erwachsene reicht hoffentlich aus, um aus den Bildern eine interessante Geschichte zu machen. Achten Sie darauf, wie Ihr Kind auf das Vorlesen reagiert, für welche Zeitspanne Sie Aufmerksamkeit haben. Das ist nicht nur altersabhängig, sondern sehr individuell. Eine Viertelstunde tägliches Lesen ist schon ein großer Gewinn. Generell soll das Vorlesen der Entspannung dienen – auch Kinder kennen Alltagsstress. Erzwungenes Zuhören ist kontraproduktiv.
Tipps für das Vorlesen
Kinder mögen feste Rituale. Lesen Sie, wenn möglich, immer zur selben Tageszeit, zum Beispiel vor dem Zubettgehen. Sorgen Sie für eine gemütliche Atmosphäre. Lassen Sie Ihr Kind das Buch selbst aussuchen, wenn es alt genug dafür ist. Viele Kinder wünschen sich jeden Abend dasselbe Buch. Das mag für den Vorleser langweilig sein, für das Kind ist es völlig ok. Reagieren Sie nicht ungehalten auf Unterbrechungen, kommen Sie über Zwischenfragen ins Gespräch. Haben Sie Hemmungen, laut vorzulesen? Viele Menschen mögen ihre eigene Stimme nicht, aber das sollte kein Hinderungsgrund sein. Für andere klingt die Stimme ohnehin anders, weil wir uns selbst nicht so sehr über die Ohren hören (Luftschall), sondern über die Knochen (Körperschall). Sie finden Ihr Vorlesen zu monoton? Das kann man üben. Lernen Sie von Hörbüchern und Podcasts, lesen Sie die Vorlesetexte vorher durch und markieren Sie gegebenenfalls Pausen und Betonungen. Inszenieren Sie verschiedene Stimmen oder erzeugen Sie – wenn Ihr Kind nicht ohnehin schon besonders ängstlich ist – ein wenig Spannung und Grusel. Es muss ja nicht gleich die Hexe im Ofen sein.
Bild: Andrea Piacquadio / Pexels