Erinnern Sie sich an den berühmten Loriot-Sketch aus dem Jahr 1978, als Familie Panislowski von Mutter Berta aus Massachusetts ein Klavier als Geschenk erhielt? Oder haben Sie gerade erst erfahren, wie das geflügelte Wort vom Klavier in unsere Sprache kam? Dann sei Ihnen verraten, dass sich vor allem bei den Enkeln Heinz-Herbert und Klaus-Dieter die Freude über das Instrument in Grenzen hielt.
Dabei hat Klavierlernen für Kinder Vorteile weit über die musikalische Früherziehung hinaus. Voraussetzung ist, dass das Lernen freiwillig und mit Spaß an der Sache funktioniert. Ein professioneller Klavierunterricht stellt genau das sicher.
Musik und Sprache in denselben Hirnarealen
Das Erlernen eines Instruments erfordert sowohl motorische als auch geistige Fähigkeiten. In jungen Jahren, während das Gehirn noch viele neue Verknüpfungen bildet, ist diese doppelte Anforderung von großem Wert. Die Informationsverarbeitung erfolgt beim Musizieren in hoher Geschwindigkeit: Abgelesene Noten müssen schnell in die richtigen Handgriffe umgesetzt werden, das vom Gehör aufgenommene Ergebnis setzt möglicherweise ein Korrekturschleife in Gang. Kompromisse und Timelags würden sich sofort bemerkbar machen durch unsauberes Spielen – hier ist hohe Konzentration gefragt.
Die medizinische Forschung hat zudem bewiesen, dass es beim Musizieren und Sprechen deutliche Überschneidungen bezüglich der aktiven Regionen unseres Gehirns gibt. Mit anderen Worten: Fördern Sie Ihr Kind musikalisch, bestehen gute Chancen, auch seine Sprachentwicklung zu beschleunigen. Die schulischen Leistungen werden ohne besondere Anstrengung besser werden. Studien weisen zudem auf erweitertes räumliches Erkennen und Stärkung des abstrakten Denken hin.
Eigenverantwortung und Durchhaltevermögen
Auch beim Klavierspiel ist noch kein Meister vom Himmel gefallen. Der Unterricht in der Musikschule ist ein Grundstein, und ein guter Lehrer wird wissen, wie er das Pensum reguliert, damit nicht ständig neue Anforderungen auf die Kinder einprasseln. Trotzdem, eine gewisse Übungszeit braucht es auch außerhalb des Unterrichts. Lenken Sie Ihr Kind, aber überlassen Sie ihm auch selbstbestimmte Zeiteinteilung. Das ist ein sehr wichtiger Entwicklungsschritt, der in einem vom Stundenplan dominierten Schulunterricht oft zu kurz kommt.
Die Geduld des Nachwuchs-Musikers in Bezug auf Lernfortschritte wird weniger strapaziert, wenn er oder sie selbst über die Übungszeiten entscheidet. Erfolgserlebnisse, die auf selbst definierten Zielen beruhen, stärken das Selbstvertrauen stärker als fremdbestimmte Zeitpläne. Setzen Sie aber Grenzen, wenn nötig: Hausaufgaben aus dem normalen Schulunterricht dürfen ebenso wenig leiden wie freie Zeit zum Spielen und Entspannen.
Soziale Kontakte und Zeit für Individualität
Der gemeinsame Klavierunterricht in der Musikschule, Hausmusik mit Freunden und Verwandten oder die Aufnahme in ein Schulorchester bieten viele Möglichkeiten, neben den geistigen und motorischen Fähigkeiten auch die soziale Kompetenz der Kinder zu stärken. Wird sie vernachlässigt, erziehen Sie schlimmstenfalls einen Einzelgänger und Sonderling. Ohne Miteinander wird ein Konzert nicht funktionieren, Fehlertoleranz ist eine Eigenschaft, die vielen Erwachsenen – auch Führungskräften im Berufsleben – leider fehlt.
Und was passiert, wenn wir wieder einen Corona-Winter erleben müssen? Auch wenn sich die Politik einig darin ist, Schulschließungen möglichst zu vermeiden, kann jede Familie von Quarantäne oder häuslicher Isolation betroffen sein. Bei hoffentlich mildem Verlauf der Infektion mit den aktuellen Virusvarianten ist das Klavier ein treuer Begleiter durch diese Zeit.
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